Ödipuskomplex – Elektrakomplex
Der Begriff des Ödipuskomplexes geht auf den bekannten Psychoanalytiker Sigmund Freud zurück. Der des Elektrakomplexes auf den spirituellen Psychologen C. G. Jung. Beide beschreiben eine bestimmte Verhaltensweise der beiden Geschlechter, die auf eine Störung in der frühkindlichen Prägung zurückzuführen ist. Der Ödipuskomplex bezieht sich auf den Mann und der Elektrakomplex auf die Frau. Beide Begriffe gelten inzwischen als veraltet und auch umstritten, da sie das Vorhandensein von beiden, gegengeschlechtlichen Elternteilen für eine gesunde Entwicklung voraussetzen, was in der heutigen Zeit innerhalb der Genderdebatte kritisiert wird.
Ödipus in der griechischen Mythologie
Die griechische Mythologie ist reichhaltig an Erzählungen, Metaphorik und Vergleichen. Sie blickt tief in menschliche Beweggründe, Empfindungen und Abgründe. Eine ihrer heute noch bekanntesten Geschichten ist die des Ödipus. Dieser ist das Kind des Königs Laios, dem das Orakel von Delphi voraussagt, dass er eines Tages von seinem eigenen Sohn getötet werden würde. Ein beauftragter Hirte soll daraufhin das Kind im Gebirge aussetzen. Der Hirte hat Mitleid und übergibt das Kind an befreundete Schäfer aus Korinth. Über diese gelangt es zum Hofe Korinths und wird vom Königspaar großgezogen. Ohne seine eigene Herkunft zu kennen, bricht Ödipus später auf und trifft an einer Weggabelung auf einen Wagen, mit dessen Fahrer er in heftigen Streit gerät. Er erschlägt den Fahrer, nicht ahnend, dass es seiner wahrer Vater König Laios ist. Nachdem er außerdem die Stadt Theben von der Sphinx befreit, erhält er als Belohnung die Hand der Königin – seiner Mutter. Die Prophezeiung erfüllt sich somit.
Ursprung von Ödipus und Elektra in der frühkindlichen Entwicklung
Laut Freud durchläuft ein Kind verschiedene psychosexuelle Phasen. Wenn es in diesen Phasen aufgrund diverser Einflüsse zu Störungen einer gesunden Entwicklung kommt, bleibt das Kind bei Nichtbearbeitung in dieser Phase gewissermaßen hängen. Die ödipale Phase liegt bei Kindern zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr. In dieser Zeit begreift der Junge die Gleichgeschlechtlichkeit mit dem Vater und sieht diesen als Rivalen der Mutter gegenüber. Der Junge möchte an erster Stelle stehen und konkurriert unbewusst mit dem Vater. Bei Mädchen wird die Mutter zur Rivalin und dass sich über sie stellen und dem Vater als ebenbürtige Partnerin zur Seite zu stehen zum Ziel.
Der gesunde Weg
Eltern haben in dieser Prägephase die Verantwortung, ihren Kindern bestimmt und klar zu demonstrieren, dass der Vater bzw. die Mutter das einzige jeweils gleichberechtigte Partnerteil bleibt. Söhne und Töchter müssen als Kinder behandelt werden und ihre dementsprechende Position in der Familie zugewiesen bekommen. Verschiebungen und Störungen ergeben sich, wenn der Vater das Mädchen über die Mutter stellt bzw. die Mutter den Sohn über den Vater.
Mögliche Ausprägungen im Erwachsenenalter
Wird die kindliche Entwicklung in der ödipalen Phase durch unangemessenes Verhalten der Eltern gestört, kommt es zu nachhaltigen Beeinflussungen der menschlichen Psyche. Die betroffenen Frauen und Männer tendieren dann zum einen häufig dazu, ihre Partnerwahl aufgrund ähnlicher Merkmale und Eigenschaften zur Mutter oder zum Vater zu treffen. Was sich jedoch als viel einschneidender und tragischer entpuppt, ist die häufige Wahl eines Partners bzw. einer Partnerin, die in einer festen Beziehung, ggf. sogar in einer Ehe leben. Damit wird der unbewusste Konflikt aus der frühkindlichen Phase wiederhergestellt. Die Frau entwickelt dann das intensive Verlangen, die Partnerin des ausgewählten Mannes – also die vermeintliche Mutter – auszustechen, um wieder an erster Stelle zu stehen. Umgedreht möchte der Mann erneut den Partner seiner erwählten Frau – also den vermeintlichen Vater – übertrumpfen, um sich als ihre erste Wahl durchzusetzen.
Je nach Intensität der Beziehung zum andersgeschlechtlichen Elternteil können weitere psychische Störungen, Neurosen und Psychosen auftreten.
Psychologische Auflösungsmöglichkeiten
Der Ödipus- bzw. der Elektrakomplex werden dann aufgelöst, wenn das Kind anfängt, sich positiv mit den Eigenschaften des gleichgeschlechtlichen Elternteils zu identifizieren.
Besteht der Komplex ins Erwachsenenalter hinein, helfen an erster Stelle Reflexion und Selbsterkenntnis. Die Betroffenen müssen zuerst feststellen, dass hinsichtlich ihrer Partnerwahl etwas nicht stimmt. Dafür hilft bspw. die Einsicht in die eigene Partnerwahl, die sich immer auf bereits gebundene Frauen oder Männer bezieht. Wurde dies erkannt, darf die Ursachenforschung beginnen. Selbstverständlich unter Hinzuziehung eines Therapeuten. Erst mit dem Eintauchen, Auseinandersetzen und Verstehen der eigenen Geschichte werden Heilprozesse ermöglicht.
Fazit
Auch wenn Ödipus- und Elektrakomplex durch die aktuellen Genderdebatten arg ins Gericht genommen werden, zeigt doch die Tatsache, dass es weiterhin Persönlichkeiten gibt, die eine besondere Affinität zu bereits gebundenen Wunschpartnern haben, dessen bleibende Aktualität. Inwiefern Menschen dazu bereit sind, ihre eigenen Denk- und Verhaltensweisen zu hinterfragen, bleibt ihnen überlassen. Grundsätzlich ist die Möglichkeit des eigenen Verstehens immer gegeben und die wichtigste Voraussetzung, um zu heilen und glückliche Beziehungen führen zu können.