Daniel Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken
Der Psychologie- und Mathematik-Professor, Daniel Kahneman, geht mit seinem Werk „Schnelles Denken, Langsames Denken“ dem menschlichen Denken und der daraus resultierenden Entscheidungsfindung auf die Spur. Beim Erkennen der vielen kleinen Stolperfallen unserer Denksysteme kann der Mensch lernen, sein Denken und die Motive der anderen besser einzuschätzen. Hieraus ergeben sich durchdachtere Bewertungen und Handlungen.
Biografisches
Der israelisch-US-amerikanische Psychologe und emeritierte Hochschullehrer Daniel Kahnemann wurde am 05. März 1934 in Tel Aviv geboren. Seine Familie war dort nur auf Besuch und wohnte eigentlich in Frankreich, wohin sie in den 20er Jahren ausgewandert war. Als die deutsche Wehrmacht 1940 in Paris einzog, flohen die Kahnemans in unbesetzte Gebiete ihrer französischen Heimat. 1946 wanderte Daniel Kahneman nach Palästina aus. Er studierte Psychologie und Mathematik an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Kahneman promovierte und hatte Lehrstühle an verschiedenen Universitäten inne.
Kahnemans Interesse an Psychologie
Der Junge Daniel war zu Zeiten des Dritten Reiches nach der Sperrstunde draußen unterwegs. Er wusste, dass dies gefährlich für ihn enden konnte und versuchte, unbemerkt nach Hause zu schleichen. Von weitem sah er einen SS-Offizier kommen. Blitzschnell reagierte er und zog seinen Pullover auf links, sodass man den Judenstern nicht sehen konnte. Der Junge war sich jedoch sicher, dass der SS-Offizier dies genau beobachtet hatte. Hingegen seiner Erwartung nahm ihn der Soldat jedoch auf den Arm, schenkte ihm Geld und Schokolade und ließ ihn ungeschoren nach Hause laufen. Er hatte ihm verraten, dass Daniel Kahneman seinem eigenen Sohn in Deutschland so ähnlich sehen würde.
Kahneman war von diesem Ereignis so überrascht und fasziniert, dass er sich fortan für menschliches Verhalten und die Psyche interessierte.
Beziehung zu Amos Tversky
Im Jahr 2002 erhielten Daniel Kahneman und sein Kollege Amos Tversky für die Prospect Theory den Alfred-Nobel-Preis für Wirtschaftswissenschaften. Bei der Prospect Theory zog erstmals der Faktor Mensch in die ökonomische Betrachtung des Kosten-Nutzen-Modells aus der Wirtschaftswissenschaft ein. An der Hebräischen Universität galten die Initiatoren Tversky und Kahneman als Rivalen, doch nach dieser anfänglichen Phase wurden sie Forscherkollegen und Freunde. Tverskys Ehefrau beschrieb die Freundschaft der Beiden „intensiver als eine Ehe“.
Schnelles Denken, Langsames Denken
In seinem Buch „Schnelles Denken, Langsames Denken“ geht Kahneman vielen menschlichen, mentalen Mustern auf den Grund. Er erklärt, dass Menschen zwei Arten des Denkens innehaben und wie diese funktionieren und uns teilweise austricksen. Mit seinen Erkenntnissen verhilft er Lesern und Anwendern, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Unser schnelles Gehirn = System 1 beinhaltet schnelles, automatisches Denken, welches ohne die Hinzunahme von Willen funktioniert. Dieses Denken nutzen wir bei fixen Entscheidungen oder Beurteilungen, indem bspw. Gestik und Mimik vom Gegenüber oder Abstände im Straßenverkehr eingeschätzt werden. An unserem Körper sind beim schnellen Denken keine körperlichen Reaktionen sichtbar. Unser langsames Gehirn = System 2 beinhaltet komplizierte Denkprozesse, die willentlich angestoßen werden wie bspw. Referatsausarbeitung, Planung der Hochzeit oder Konzeption des nächsten Workshops. Der gesamte Körper reagiert mit Anspannung. Muskeln kontrahieren, der Puls erhöht sich, uns wird warm etc.
Im Gegensatz zu unserer eigenen Vorstellung befinden sich die meisten Menschen während des Denkens hauptsächlich in System 1. Wir meinen zwar oft, rational und durchdacht zu handeln, doch dem ist laut Kahnemans Forschungsergebnissen nicht so. Das langsame Denken mit System 2 ist zu anstrengend, fordernd und aufwendig, weswegen wir die meisten Entscheidungen mit System 1, dem schnellen Denken, treffen. Das ist zwar energiesparend, beinhaltet jedoch auch eine gewisse Fehlerquote.
Das menschliche Gehirn geht kognitiven Verzerrungen auf den Leim
Wie viele Tiere nahm Moses mit auf die Arche?
Die meisten Befragten beginnen nun gedanklich abzuschätzen, um im Anschluss eine Zahl nennen zu können. Dabei bemerken sie nicht, dass Moses gar nicht die Arche baute, sondern Noah. Sie sind dem schnellen Denken erlegen gewesen.
Priming Effekt
Beim Priming wird über einen absichtlich gesetzten Reiz eine gewünschte Reaktion forciert. So kann man bspw. über einer kleinen Kasse, in die Mitarbeiter 1,00 € pro Kaffee werfen, ein Augenpaar anbringen. Nachweislich entstehen dadurch weniger Fehlbeträge, als wenn bspw. ein Landschaftsbild oder kein Bild darüber angebracht wurde.
Halo Effekt
Mit dem Halo = Heiligenschein werden Subjekte positiver bewertet, nur weil sie eine bestimmte Eigenschaft vorweisen, die Menschen auf besondere Weise über sie denken lassen. Man schließt von einer bekannten Eigenschaft der Person auf weitere unbekannte. So wird bspw. ein Passagier, der die New York Times in der U-Bahn liest, grundsätzlich als intelligent und wohlhabend bewertet oder ein Angestellter, der im sozialen Bereich arbeitet als besonders sozial.
Framing
Das Framing ist ein bewusst gesteuerter Prozess, der mithilfe einer bestimmten Erzählstruktur und unter Nutzung von Narrativen beim Zuhörer oder Zuschauer zu einer gewollten Bewertung von Ergebnissen führt. Der Erzähler lenkt den Zuhörer in eine bestimmte Richtung, so dass dieser die Ereignisse in einer gewünschten Weise interpretiert. Menschen nutzen diesen Effekt auch privat, wenn sie ihren Gesprächspartner in eine Richtung lenken, die unreflektiert ihrer eigenen Wahrheit entspricht.
Ankerwerte
Diese Methodik wird besonders im Verkauf genutzt. Man setzt einen bestimmten Ankerwert, der dem Gehirn eine Vorgabe vorgaukelt. Diese ist eventuell unverhältnismäßig, jedoch erstmal als bestimmte Bemessungsgrundlage verankert. Dadurch ist der Kunde später bereit, einen immer noch hohen Preis zu zahlen.
Ordnet man einer Dienstleistung bspw. einen Preis von 1.500 € zu, ist diese bei einem späteren Gespräch als Grundlage im Geist des Verhandlungspartners verankert. Der Kunde ist eher bereit 1.000 € zu zahlen, als wenn der erste Ankerwert 1.100 € gewesen wären.
Fazit
Wenn wir uns der beiden Systeme des schnellen und des langsamen Denkens bewusst werden, müssen wir nicht auf die kleinen Tricks und Abkürzungen unseres schnellen Systems 1 reinfallen. Wir können bewusst hinterfragen, ob unsere Einschätzung der Dinge wirklich der Realität entsprechen muss. Bei näherer Betrachtung würde dann bspw. zur Frage stehen, ob ein Passagier, der zwar die New York Times liest, jedoch U-Bahn fährt, tatsächlich wohlhabend sein muss.
Wissen wir um die vielen psychologischen Effekte, können uns Werbung und die Art und Weise einer Berichterstattung weniger manipulieren und wir kommen immer mehr ins Hinterfragen und ins langsame, bewusste Denken des Systems 2.
Über diese und viele weitere psychologische Effekte kannst du auch in unseren empfohlenen Fachbüchern nachlesen. Die Welt der Psychologie ist weitumfassend und spannend. Im Blog-Bereich findest du regelmäßig neue Artikel dazu.